unser beitrag zum Rundbrief

Das Wandern ist der „Gringas“ Lust…

Was uns beiden hier in Independencia wahnsinnig gut gefällt, das ist die Landschaft: eine unberührte Naturschönheit mit hohen Bergen, Wiesen und Tälern.

Immer wieder finden sich kleine Lehmhütten mit Kindern die außen spielen. Auch viele Tiere wie Hunde, Schafe, Pferde und Kühe leben mit den Campesinos zusammen und alles scheint im Einklang zu sein. Seit November erkennen wir die einst karge und trocken-braune Berglandschaft kaum wieder! Alles ist grün und blüht so schön.

Da wir beide gerne außen in der Natur sind, unternehmen wir an unseren freien Tagen meist Wanderungen und Spaziergänge. Immer gibt es dabei etwas zu entdecken, man muss nur die Augen offen halten: Bunte, duftende Blüten, kleine Wasserfälle zwischen den Felsen und sogar Tiere wie den Puma und Königskolibri, die man nur mit Glück zu Gesicht bekommt.

Da an unserem freien Samstag, nach unzähligen Regentagen, endlich wieder die Sonne scheint, beschließen wir ein bisschen wandern zu gehen.

So suchen wir uns einen gemütlichen und flach verlaufenden Weg, der aus Independencia raus durch die Täler der Anden führt. Nach zweistündigem gutgelauntem Fußmarsch biegen wir um eine weitere Kurve und stehen plötzlich am Ufer eines reißenden Flusses!

Während wir erschrocken feststellen, dass unser Weg auf der anderen Flussseite weiterführt, hören wir fröhliche Kinderrufe und Gelächter: drei Geschwister veranstalten mitten im Flussbett lautlachend eine Schlammschlacht. Es scheint sie keineswegs zu stören, dass ihre gesamten Klamotten pitschnass und schmutzig sind. Grinsend kommen sie auf uns zu, nehmen uns ohne viele Worte an der Hand und führen uns sicher haltend durch den Fluss. Da uns das Überqueren dieses Flusses wegen der starken Strömung unmöglich schien, staunen wir, wie einfach das zusammen ging. Sie zeigen uns auf welche Steine wir treten können und wo das Wasser am seichtesten ist, sodass wir beim Ankommen schmunzelnd feststellen: „Unsere Jeans sind ja kaum bis zu den Knien nass!“

Wir setzen uns zu der Schwester, die in unserem Alter zu sein scheint und plaudern ein bisschen mit ihr. Ihre beiden jüngeren Brüder aber, baden währenddessen schon wieder fröhlich im Fluss. Wir lernen auch Lina kennen, die Hündin der drei Geschwister, die sie bei jedem Schritt begleitet und auf sie aufpasst.

Als wir beschließen nach Independencia zurück zu wandern, begleiten uns die drei spontan.

Sie führen uns über einen kaum erkennbaren Weg zu weiten Feldern, die ihren Eltern gehören. So bekommen wir beide eine ausführliche Erklärung zu allen möglichen Pflanzen, die dort wachsen: Von Papayabaum über Chirimoya-Strauch bis hin zum Erdnussbusch.

Als kleines Highlight schenken sie jedem von uns ein Zuckerrohr, das der kleinste Bruder mit der Machete für uns erntet und schält. Wir halten das Rohr in der Hand und wissen nicht so genau, was wir damit anfangen sollen, bis sie uns kichernd erklären, wie man es isst. Munter knabbern wir also auf unserem Weg, an einem Bambus-ähnlichen Stock der unglaublich süß und lecker nach Zucker schmeckt.

Kurz vor Independencia, kommen wir an einem großen Kaktus vorbei. Der ältere Bruder René geht auf ihn zu und schlägt mit der Machete ein paar Kaktusfeigen ab. Der kleine Bruder fegt dann mit einem Bündel Blätter über die Feigen, um die feinen Stacheln zu entfernen. Danach reicht er uns stolz die schon geöffnete Frucht und wir saugen den Saft und das Fruchtfleisch aus. Wieder haben sie uns etwas Neues gezeigt und gutgelaunt kommen wir gerade noch rechtzeitig in Independencia an. Denn wenig später fängt es auch schon heftig an zu regnen…

Was uns beide immer wieder fasziniert, das ist die Wärme und Gastfreundschaft der Bolivianer. Sie behandeln uns nicht wie Fremde, sondern kommen wie Freunde ganz offen auf uns zu. Mit einem Lächeln im Gesicht bringen sie uns ihr Land und ihre Kultur näher und hilfsbereit reichen sie uns ihre Hand. Deswegen freuen wir uns auf jede einzelne Begegnung, von denen wir bisher immer nur lernen konnten.

Würde sich ein Bolivianer in Deutschland auch so aufgenommen und wohl fühlen? Könnte er auch so viel Gutes über uns Deutsche behaupten?

Sabrina und Sarina (AuroraJ)

Todo santos – Allerheiligen

 

Schon am Dienstag den 30. Okober wurde im ganzen Dorf vorbereitet, geschmückt und gebacken.

Auch Sarina und ich wurden vom Empfangsdienst befreit und durften stattdessen in der kleinen Bäckerei des Centros mithelfen. Mit ziemlich viel Fantasie formten wir Lamas, kleine Männchen, Leitern (damit der Verstorbene ein Stückchen weiter in den Himmel aufsteigen kann) und alles, was uns sonst noch einfiel. Mittags schauten wir eine Ausstellung in der Schule an, aber darüber schreib ich jetzt lieber nicht so viel 🙂 Das Interessanteste war, als ein 16-Jähriger versuchte mir zu erklären, dass 4 PCs an einem einzigen Drucker drucken können. Woooow.

Mittwoch war dann noch mal die Ruhe vor dem Sturm und wir schafften es sogar, neben presente (Empfangsdienst) her unser Zimmer aufzuräumen. Dann gings auch schon los:

 

Am nächsten Tag holten wir Corinna und Rodrigo aus Quillacollo ab. Sie wollten die Feiertage bei uns verbringen, weil solche kulturellen Sachen in der Stadt untergehn.

In wessen Familie innerhalb der letzten 3 Jahre jemand gestorben ist, der baut in seinem Haus einen kleinen Altar auf. Meistens einen Tisch mit Fotos, dem Lieblingsessen des Toten, schwarzen Tüchern und Fähnchen, eimerweise Blumen und manchmal sogar ein Dach aus Palmwedeln. So zogen wir von Haus zu Haus und wo die Tür offenstand, traten wir ein und beteten. Anfangs war es ein komisches Gefühl, einfach in die Häuser zu spazieren und für jemanden zu beten, den wir gar nicht kannten. Aber wir wurden in jedem einzelnen Haus freundlich empfangen und es war wahnsinnig interessant.

Nachdem wir gebetet hatten, bekamen wir etwas Gebäck, Obst, Chicha oder Rotwein. Viel schöner als das Materielle aber waren die Gespräche mit den Angehörigen und die Einblicke in die Häuser. Zum Beispiel erzählte uns eine Frau anderthalb Stunden, wie sie im Traum mit Gott und ihrer toten Muter sprach. Andere zählten uns immer wieder Namen von Verstorbenen auf und baten uns, noch mal von vorne zu beten.

 

Als es dunkel wurde, gab es eine kleine Messe auf dem Friedhof. Es dauerte eine ¾ Stunde, bis wir den genauen Veranstaltungsort herausfanden, weil jeder den wir fragten in eine andere Richtung zeigte! Als wir sie schließlich und endlich doch fanden, kam in Mädel aus dem Kindergarten auf mich zugerannt und schrie „Hola Profe Sabrina!“ und alle drehten sich um und machten Psssst! Soviel zum Thema unauffällig dazustellen…

Nach der Messe beteten wir noch an ein paar Gräbern und probierten Chichas und Leche de Tigre (Milch mit mal mehr, mal weniger Drago-Schnaps vermischt). Zum Glück hatten wir zwei Jungs dabei, die die Betrunkenen abwimmelten! Trotzdem gingen wir relativ bald zurück ins Centro.

 

Freitagmorgen gingen wir nochmals in die Häuser um an den Altären zu beten, die mittags dann auf die jeweiligen Gräber gebracht wurden. Vergangene Nacht waren nämlich die Toten in die Häuser gekommen und hatten von den Altären gegessen…schön dass der Altar für Padre Manfredo im Saal neben unserm Schlafzimmer stand!!!!

Während Donnerstagabend auf dem Friedhof noch alles voller Kerzen und Menschen war, fanden wir Freitagabend dort nur noch 3 Betrunkene, die auf den Gräbern schliefen.

Nicht so cool deshalb verlegten wir das Feiern kurzerhand in die Dorfdisco.

 

Am Samstag begann dann das 3-tägige „Fest der Lebenden“. Wir selber gingen den Tag erst mal ruhiger an und ich machte mit Corinna und Rodrigo einen Spaziergang zum Fluss. Für den Abend waren wir auf eine Homeparty in einem der umliegenden Dörfer eingeladen. Nach einiger Telefoniererei und Warterei wurden wir um halb 6 (abgemacht war 4 Uhr!) an der Plaza  abgeholt und wir machten uns zu neunt in einem kleinen Jeep auf den Weg ins Nirgendwo. 🙂 Als wir an einer abgelegenen Hütte ankamen, wo nur ein paar Alte davorsaßen und uns anstarrten, waren wir etwas verwirrt und enttäuscht. Keiner der Anwesenden konnte uns sagen wie das Dorf heißt und ob die Immigration aus Spanien oder doch das Erlangen des Doktortitels gefeiert wurde, war auch nicht so ganz klar…

Naja, Überraschungen waren miteingeplant und es wurde noch ein richtig schöner Abend. Mit dem Heimfahren wurde es dann auch noch ganz lustig: der eine Fahrer war angetrunken, der andere hatte erst in anderthalb oder 2 Stunden wieder Lust zu fahren. Die Idee einfach Heimzulaufen verwarfen wir ziemlich schnell wieder, weil man kaum die Hand vor Augen mehr sah. Der Bekannte einer Bekannten nahm uns dann auf der Ladefläche seines Jeeps mit. Hannes meinte, die roten Flecken auf der Ladefläche seien Blut aber ich hab mir schön brav eingeredet es sei Farbe – mein armer Magen war doch eh schon strapaziert genug von der ETWAS holprigen Fahrt!

Zurück im Dorf schauten wir noch kurz auf der Plaza und bei einer Hochzeit vorbei.

 

Sonntag schauten wir uns das Fest der Lebenden bei uns im Dorf an. An verschiedenen Stellen wurden Riesenschaukeln aufgebaut, die den schaukelnden Frauen Fruchtbarkeit brachten und ein Symbol für Weiblichkeit sein sollen. Die Cholitas versuchen beim Schaukeln mit dem Fuß einen Korb voller Eier zu berühren, der ein bisschen weiter weg aufgehängt wurde. Für Männer war das Schaukeln leider verboten, sie mussten die Frauen anschubsen indem sie an 2 langen Seilen zogen 🙂

An diesem Tag hab ich lieber aufs Schaukeln verzichtet, weil die „Anschubsmänner“ schon angetrunken waren und die Frauen auf den Schaukeln teilweise heftig herumgerissen wurden. Wir schauten uns noch den Markt im Dorf und ein Fußballspiel an, dann war es auch schon wieder Zeit für Corinna und Rodrigo, nach Quillacollo zurückzukehren.

 

Als ich am Montag doch noch geschaukelt hab, gingen um uns herum sämtliche Fenster und Türen auf und ein paar riefen „Guckt mal, die Gringa schaukelt!!“

„… und niemand spricht von unserem Lächeln“ – J.Schicker und L.Lintner

Unsere Hütte ist klein

Sie hat nur einen Raum

Nicht nur weil wir arm sind

Sondern weil wir zusammen sein wollen

In diesem einen raum werden wir

Gezeugt und geboren

Hier spielen wir

Schlafen und essen wir

Hier sind alle zusammen

Hier sind wir froh und traurig

Gesund und krank

Und immer beisammen

Hier sind die jüngsten und die alten

Hier sterben wir auch

Hier sind wir nie allein

Unsere hütte ist klein

Sie hat nur einen raum

Nicht nur weil wir arm sind

1. Sonntag in Inde

Das Aufstehen fiel uns nach dem Besuch in der “Disco” gestern ein bisschen schwer aber wer feiern kann, kann auch in die Kirche 

Also machten Sarina und ich uns zusammen mit Elisabeth auf den Weg. Der Gottesdienst war dem Deutschen sogar ziemlich ähnlich bis auf ein paar Quetchualiedern und eine richtige Weihwasser-Dusche am Ende, die wir zum Glück ausgelassen haben.
Später sind wir auf den Markt gegangen und haben uns mit frischen Obst eingedeckt, weil das Essen im Centro doch ziemlich reich an Kohlenhydraten und natürlcih Zucker ist…
Ich hab mir gleich eine richtig hübsche Manta gekauft, das sieht aus wieder ein kleiner Fleeceteppich und wird von den Cholitas um die Schultern getragen. Wir haben uns auch den Fleischmarkt angeschaut, der eindeutig nix für schwache Mägen is (abgehackter Schafskopf und ein Eimer voll Hühnerfüsse??)
Nach einem kleinen Gebet gab es ein leckeres Mittagessen im Centro und wir haben so viel gegessen, dass wir danach erst mal 2 Stunden geschlafen haben 
Den restlichen Nachmittag haben wir einfach so genossen und bei einer gemütlichen Tasse Tee “descanst” (uns ausgeruht). Nach dem Abendessen (schon wieder Essen!) hatte Elisabeth eine Überraschung für uns:
Sie entführte uns auf den Markt, wo Sarina erst mal Rinderherz mit Bratkartoffeln probieren durfte. Zum Glück ess ich kein Fleisch und ich glaub seit sie rausgekriegt hat was genau sie da gegessen hat, is sie auch vorsichtiger 😀
Dann haben wir uns an den Strassenrand gesetzt und Eli hat uns zu einer Tasse Api (lila Maisgetränk das heiss einfach saulecker schmeckt) und Pastel (Fasnetküchle mit Käse gefüllt und Puderzucker)eingeladen. Es war schön nur das Essen zu geniessen und das bunte Treiben auf dem Markt zu beobachten.
Wieder daheim im Centro sassen wir noch eine Weile im Living (Wohnzimmer) zusammen und quatschten mit den anderen Mitarbeitern. Es gab sogar eine Tafel Lindt Schokolade, was hier was ganz besonderes ist und alle drauf abfahren.
Es war auf jeden Fall ein schöner Tag und ich hoffe, euch einen kleinen Einblick in unser Leben hier gegeben haben zu können.
¡Buen noche!