Todo santos – Allerheiligen

 

Schon am Dienstag den 30. Okober wurde im ganzen Dorf vorbereitet, geschmückt und gebacken.

Auch Sarina und ich wurden vom Empfangsdienst befreit und durften stattdessen in der kleinen Bäckerei des Centros mithelfen. Mit ziemlich viel Fantasie formten wir Lamas, kleine Männchen, Leitern (damit der Verstorbene ein Stückchen weiter in den Himmel aufsteigen kann) und alles, was uns sonst noch einfiel. Mittags schauten wir eine Ausstellung in der Schule an, aber darüber schreib ich jetzt lieber nicht so viel 🙂 Das Interessanteste war, als ein 16-Jähriger versuchte mir zu erklären, dass 4 PCs an einem einzigen Drucker drucken können. Woooow.

Mittwoch war dann noch mal die Ruhe vor dem Sturm und wir schafften es sogar, neben presente (Empfangsdienst) her unser Zimmer aufzuräumen. Dann gings auch schon los:

 

Am nächsten Tag holten wir Corinna und Rodrigo aus Quillacollo ab. Sie wollten die Feiertage bei uns verbringen, weil solche kulturellen Sachen in der Stadt untergehn.

In wessen Familie innerhalb der letzten 3 Jahre jemand gestorben ist, der baut in seinem Haus einen kleinen Altar auf. Meistens einen Tisch mit Fotos, dem Lieblingsessen des Toten, schwarzen Tüchern und Fähnchen, eimerweise Blumen und manchmal sogar ein Dach aus Palmwedeln. So zogen wir von Haus zu Haus und wo die Tür offenstand, traten wir ein und beteten. Anfangs war es ein komisches Gefühl, einfach in die Häuser zu spazieren und für jemanden zu beten, den wir gar nicht kannten. Aber wir wurden in jedem einzelnen Haus freundlich empfangen und es war wahnsinnig interessant.

Nachdem wir gebetet hatten, bekamen wir etwas Gebäck, Obst, Chicha oder Rotwein. Viel schöner als das Materielle aber waren die Gespräche mit den Angehörigen und die Einblicke in die Häuser. Zum Beispiel erzählte uns eine Frau anderthalb Stunden, wie sie im Traum mit Gott und ihrer toten Muter sprach. Andere zählten uns immer wieder Namen von Verstorbenen auf und baten uns, noch mal von vorne zu beten.

 

Als es dunkel wurde, gab es eine kleine Messe auf dem Friedhof. Es dauerte eine ¾ Stunde, bis wir den genauen Veranstaltungsort herausfanden, weil jeder den wir fragten in eine andere Richtung zeigte! Als wir sie schließlich und endlich doch fanden, kam in Mädel aus dem Kindergarten auf mich zugerannt und schrie „Hola Profe Sabrina!“ und alle drehten sich um und machten Psssst! Soviel zum Thema unauffällig dazustellen…

Nach der Messe beteten wir noch an ein paar Gräbern und probierten Chichas und Leche de Tigre (Milch mit mal mehr, mal weniger Drago-Schnaps vermischt). Zum Glück hatten wir zwei Jungs dabei, die die Betrunkenen abwimmelten! Trotzdem gingen wir relativ bald zurück ins Centro.

 

Freitagmorgen gingen wir nochmals in die Häuser um an den Altären zu beten, die mittags dann auf die jeweiligen Gräber gebracht wurden. Vergangene Nacht waren nämlich die Toten in die Häuser gekommen und hatten von den Altären gegessen…schön dass der Altar für Padre Manfredo im Saal neben unserm Schlafzimmer stand!!!!

Während Donnerstagabend auf dem Friedhof noch alles voller Kerzen und Menschen war, fanden wir Freitagabend dort nur noch 3 Betrunkene, die auf den Gräbern schliefen.

Nicht so cool deshalb verlegten wir das Feiern kurzerhand in die Dorfdisco.

 

Am Samstag begann dann das 3-tägige „Fest der Lebenden“. Wir selber gingen den Tag erst mal ruhiger an und ich machte mit Corinna und Rodrigo einen Spaziergang zum Fluss. Für den Abend waren wir auf eine Homeparty in einem der umliegenden Dörfer eingeladen. Nach einiger Telefoniererei und Warterei wurden wir um halb 6 (abgemacht war 4 Uhr!) an der Plaza  abgeholt und wir machten uns zu neunt in einem kleinen Jeep auf den Weg ins Nirgendwo. 🙂 Als wir an einer abgelegenen Hütte ankamen, wo nur ein paar Alte davorsaßen und uns anstarrten, waren wir etwas verwirrt und enttäuscht. Keiner der Anwesenden konnte uns sagen wie das Dorf heißt und ob die Immigration aus Spanien oder doch das Erlangen des Doktortitels gefeiert wurde, war auch nicht so ganz klar…

Naja, Überraschungen waren miteingeplant und es wurde noch ein richtig schöner Abend. Mit dem Heimfahren wurde es dann auch noch ganz lustig: der eine Fahrer war angetrunken, der andere hatte erst in anderthalb oder 2 Stunden wieder Lust zu fahren. Die Idee einfach Heimzulaufen verwarfen wir ziemlich schnell wieder, weil man kaum die Hand vor Augen mehr sah. Der Bekannte einer Bekannten nahm uns dann auf der Ladefläche seines Jeeps mit. Hannes meinte, die roten Flecken auf der Ladefläche seien Blut aber ich hab mir schön brav eingeredet es sei Farbe – mein armer Magen war doch eh schon strapaziert genug von der ETWAS holprigen Fahrt!

Zurück im Dorf schauten wir noch kurz auf der Plaza und bei einer Hochzeit vorbei.

 

Sonntag schauten wir uns das Fest der Lebenden bei uns im Dorf an. An verschiedenen Stellen wurden Riesenschaukeln aufgebaut, die den schaukelnden Frauen Fruchtbarkeit brachten und ein Symbol für Weiblichkeit sein sollen. Die Cholitas versuchen beim Schaukeln mit dem Fuß einen Korb voller Eier zu berühren, der ein bisschen weiter weg aufgehängt wurde. Für Männer war das Schaukeln leider verboten, sie mussten die Frauen anschubsen indem sie an 2 langen Seilen zogen 🙂

An diesem Tag hab ich lieber aufs Schaukeln verzichtet, weil die „Anschubsmänner“ schon angetrunken waren und die Frauen auf den Schaukeln teilweise heftig herumgerissen wurden. Wir schauten uns noch den Markt im Dorf und ein Fußballspiel an, dann war es auch schon wieder Zeit für Corinna und Rodrigo, nach Quillacollo zurückzukehren.

 

Als ich am Montag doch noch geschaukelt hab, gingen um uns herum sämtliche Fenster und Türen auf und ein paar riefen „Guckt mal, die Gringa schaukelt!!“

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